Unendliche Geschichten

RP 15. September 207
Von Christine Zacharias

Zweimal in der Woche liest Andreas Feller (37) den Kindern der evangelischen Kindertagesstätte Wersten vor. Jetzt ist der Marketing-Fachmann für den Deutschen Vorlesepreis nominiert.

"Er ist da, er ist da!" Aufgeregt laufen die beiden Kleinen durch die Kindertagesstätte Wersten und trommeln noch andere Altergenossen zusammen. Zweimal in der Woche beginnt der Tag in der Kita an der Wiesdorfer Starße anders als üblich. Dann kommt Andreas Feller (37), dessen Sohn Steffen (vier) die Kita besucht, und liest den Kindern maximal 20 Minuten etwas vor. Danach fährt der Angestellte eines Löricker Dienstleistungsunternehmen zur Arbeit

Seit drei Jahren jede Woche geht das schon so. Längst ist der Vorleser Feller einer der Höhepunkte im wöchentlichen Kita-Ablauf. Seine ehrenamtliche Tätigkeit hat inzwischen Kreise gezogen: Der Werstener Marketing-Fachmann ist einer von fünf Nominierten für den Deutschen Vorlesepreis der Stiftung Lesen, Kategorie Vorleser des Jahres. Am 5. Oktober ist Preisverleihung in Köln.
"Ich habe vor gar nichts Angst, wenn nur mein Papa bei mir ist"

Das interessiert die kleinen Werstener aber herzlich wenig. Sie wollen vielmehr wissen, was es mit der "Geschichte vom kleinen Bären und seiner Familie" auf sich hat. Der mag erklärtermaßen Schokolade, Spaghetti - und am allermeisten seinen Familie.

Derweil sitzt Sohn Steffen auf Fellers Schoß und rund 20 Kinderpopos auf Stühlchen im Halbkreis um ihn herum. Hälse recken sich, und einer zischt dem anderen zu, wennn der dazwischenquatscht. Am Ende nicken alle einverstanden, als Felle den kleinen Bären sagen lässt: "Ich habe vor gar nichts Angst, wenn nur mein Papa bei mir ist."

"Eigentlich war ich ein lesefaules Kind", sagt Feller von ich selbst. "Ich habe es auch immer genossen, wenn m ir vorgelesen wurde." Dafür waren die ältere Schwester und der Papa am Wochenende zuständig. Doch dann schenkte die Mutter dem Zehnjährigen die "Unendliche Geschichte" - und einen Lese-Sessel. "Der Bann war gebrochen." Und der Bücherwurm geboren. Fortan gab es in der Schule im Lesen immer eine Eins.
Vor drei Jahren ließ sich Feller zum Vorlese-Paten innerhalb der Initiative "NRW liest vor" ausbilden, besuchte Seminare und erhielt am Ende ein Zertifikat. Seine Söhne Philipp und Steffen kamen schon vorab in den Genuss. Spezielle Vorbilder hat Feller übrigens nicht. Manches hört er sich bei geschulten Sprechern im Radio ab.

Und was wird gelesen? "Am besten Bücher mit hohem Realitätsbezug, mit Kindern und ihnen bekannten Tieren. Alles andere überfordert die Kleinen schnell." Fellers Lektüre richtet sich auch nach der jeweiligen Jahreszeit und - in der evangelischen Kita - nach den Festtagen wie Weihnachten oder Ostern.

Zur Preisverleihung nach Köln wird er wohl "etwas nervös und mit feuchten Händen fahren." Aber so ganz hoch hängt er den Wettbewerb nicht. Er fände es prima, wenn sich auch andere Mütter und Väter dazu bereit erklärten. "Kinder sind so ein freundliches und dankbares Publikum. Man muss ihnen das Lesen nur näher bringen."

Informationen
Deutscher Vorlesepreis

Der Wettbewerb wurde 2005 vom Kartoffelchips-Hersteller Intersnack gegründet. Partner ist die Stiftung Lesen, Schirmherr Bundespräsident Horst Köhler. Der Preis (es gibt sieben Kategorien) soll das ehrenamtliche Vorlese-Engagement fördern und für das Lesen als Bildungsgrundlage werben. Erste Preisverleihung war 2006. Jury-Mitglieder 2007 sind u.a. der Journalist Peter Kloeppel (RTL) und die Schauspielerin Sabine Postel ("Tatort").